„Was ist, wenn Du die Wahrheit herausfindest, und diese Wahrheit die Grundlagen Deines ganzen Lebens zertrümmert? Was wirst du dann tun?“

Cover "Die Frau des Zenturio"Zum Inhalt

Nach dem Verlust von Reichtum und Ansehen der Familie kommt Leah als Dienerin in den Haushalt des Pilatus, um verheiratet zu werden.
Als Kommandant der Garnision in der Nähe von Galiläa, hat Alban Ambitionen auf mehr Macht, vielleicht sogar eines Tages in Rom. Durch eine „passende“ Heirat will er seine Aufstiegschancen erhöhen.
Pilatus und Herodes werden von Gerüchten über den fehlenden Leichnam eines gekreuzigten jüdischen Rabbi alarmiert. Besteht eine Gefahr für Rom? Pilatus beauftragt den Zenturion Alban, die Sache zu untersuchen. Als Lohn für seine erfolgreichen Bemühungen wird ihm die Hand von Leah versprochen. Die wiederum wird von Procula, der Gattin des Pilatus, mit der Aufgabe, die Anhänger dieses Jesus auszuspähen, losgeschickt. Leah hat keine Wahl. Weder kann sie ihre Aufgabe ablehnen noch sich gegen die unerwünschte Heirat wehren.
Doch am Ende ist nichts, wie es am Anfang schien. Leah und Alban gezwungen, nach Antworten zu suchen, werden durch das, was sie entdecken, verändert. Denn was sie herausfinden, ist zutiefst verstörend.

Vorbemerkungen

Die gespoilerte Textstelle (durch "[ ]" markiert) verrät wesentliche Inhalte des Buches. Um diese Stelle lesen zu können, bitte einfach mit gedrückter linker Maustaste darüer fahren (die Stelle quasi markieren). Der Text wird dann lesbar.
Ich habe das Buch in der amerikanischen Originalausgabe gelesen, auf die sich auch die Seitenzahlen beziehen. Die wiedergegebenen Textstellen aus dem Buch sind eigene sinngemäße Übersetzungen und können daher von denen in der deutschen Ausgabe abweichen.


Kommentar / Meine Meinung

„Don't you get me wrong - Only want to know“ - so singt Judas im Refrain von „Superstar“ (aus „Jesus Christ Superstar“). Ein gutes und passendes Motto auch für dieses Buch, denn genau darum geht es.

Etwa 33 n. Chr. Kurz nach dem Passah-Fest in Jerusalem, vor dem drei Delinquenten gekreuzigt wurden. Über einen dieser drei sind nun unglaubliche Gerüchte im Umlauf. Anstatt daß die Unruhen um seine Anhänger mit der Hinrichtung ein Ende haben, scheint es unvermindert weiterzugären. Pilatus muß wissen, ob eine Revolte geplant wird, ob die Römische Herrschaft in Gefahr ist. Ein Vertrauter mit Sondervollmachten soll, offen oder verdeckt, wie es gerade erforderlich ist, ermitteln. Um diesen anzuspornen und auch unter Druck zu setzen, einigt sich Pilatus mit seinem neuen „Freund“ Herodes darauf, daß dieser Zenturion Leah zur Frau bekommt, sobald er die gewünschten Auskünfte geliefert hat.

Leah ist eine „an-adoptierte“ Nichte aus einer verarmten Familie, die als Dienerin für Pilatus’ Frau Procula ins Haus kam, um später „passend“ verheiratet zu werden. Procula wiederum wird seit dem Prozeß und der Kreuzigung Jesu von Alpträumen und Kopfschmerzen geplagt. Auch sie will wissen, ob es eine Bedrohung für Rom (damit für ihren Mann und demzufolge auch für sie) gibt. Sie schickt Leah als Spionin zu den Anhängern des toten Propheten, um sich umzuhören und zu berichten.

Im Folgenden entspinnt sich eine Handlung, wie sie vielleicht gewesen sein könnte, denn mit Sicherheit sind die Gerüchte über Jesu Auferstehung Pilatus zu Ohren gekommen und irgendwie wird er darauf reagiert haben.

Um damit zu beginnen: bisweilen empfand ich die teilweise moderne Sprache als störend bzw. unangemessen. „Avignon“ (Seite 59) wurde in römischer Zeit „Avennio“ genannt. Ob es in den Legionen einen „Sergeanten“ (Seite 62) gab, sei mal dahingestellt. Und ob Maria Magdalena von ihren Gefährten genau so angesprochen und tituliert wurde, will ich jetzt auch nicht ausdiskutieren. Zumindest in diesem Falle kann man einwenden, daß der Einfachheit und des besseren Verständnisses wegen ein uns heutigen geläufiger Name Verwendung fand. Ein Nachwort, in dem solche Dinge kurz angesprochen und eingeordnet werden, wäre hilfreich. Um auch das zu erwähnen: die Figuren haben wenig Schattenseiten. Die Anhänger Jesu sind fromm, Leah und Alban „edel und gut“.

Was folgt, war eine teils vorhersehbare (wenn man die Beziehung von Alban und Leah betrachtet), teils zum Nachdenken anregende Geschichte um die Ereignisse von Tod und Auferstehung Jesu. Es laufen zwei Handlungen mehr oder weniger parallel, die sich im Verlauf des Buches beginnen zu kreuzen, um am Ende zusammenzufinden. Es treten verständlicherweise viele Gestalten auf, die aus den Neuen Testament bekannt sind. Dabei werden, wie nicht anders zu erwarten, die Berichte aus dem NT als historische Ereignisse angesehen, die entsprechend verarbeitet sind.

Leah wird von Procula gegen ihren Willen als Spionin ausgeschickt. Doch sie hat keine Wahl, genausowenig wie sie sich gegen die Verheiratung mit einem ihr bis dato unbekannten Mann wehren kann.

Dieser Mann ist Alban. Er ist Zenturio und der Verantwortliche in Galiläa. Es ist derselbe Hauptmann aus Karfarnaum, der im Neuen Testament erwähnt wird, weil sein Diener von Jesus geheilt wurde. Auch dieser (der Diener) taucht auf, ein zwölfjähriger Junge namens Jakob. Er (Alban) wird zu Pilatus einbestellt, der ihn mit der schon genannten Aufgabe betraut. Er hat sich dafür „qualifiziert“, weil er um die Hand von Leah angehalten hat. Als Nichte des Pilatus verspricht er sich von der Verbindung einen Schub für sein berufliches Fortkommen. Pilatus und Herodes bestehen auf einer jüdischen Hochzeit, weil Leahs Großmutter Jüdin war. Und sie so ein probates Druckmittel gegen ihn in der Hand haben: Verlobung sehr bald, aber die eigentliche Hochzeit erst, wenn er seine Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllt hat.

So verfolgen wir beide - Alban wie Leah - bei ihren Ermittlungen und Berichten an Pilatus bzw. Procula. Sicher werden im Buch die Berichte des NT dazu als Wahrheit vorausgesetzt. Interessant fand ich jedoch, wie die beiden an ihre Aufgabe herangingen. Er, zwar von gallischer Geburt, im Denken jedoch Römer durch und durch (na ja, fast jedenfalls); sie mit jüdischer Großmutter aus einer Familie kommend, in der weltliche Güter alles waren und die sich ihrer Herkunft mehr als unsicher ist. Wir begleiten Alban bei seinen Gesprächen mit den Augenzeugen: Joseph von Arimathäa, Caiaphas, dem Hauptmann, der die Kreuzigung überwachte oder auch einem der Grabwächter. Im Verlaufe seiner Untersuchungen kommt er immer tiefer mit der Gedankenwelt des Juden- und frühen Christentums im Berührung, und wird davon berührt. Dabei ist mir eine Stelle besonders aufgefallen, weil so selbstverständlich, daß man nie drüber nachdenkt. Es heißt auf Seite 276 (Alban im Gespräch mit Caiaphas, dem er diese Frage stellt, welche im Buch unbeantwortet bleibt): "Meine Frage ist diese: wer würde, wenn er einen Leichnam stiehlt, der von römischen Soldaten bewacht wird, innehalten, um ein Tuch zu falten und liegenzulassen? Diebe haben es immer eilig, auch wenn sie keinen Zeitdruck durch römische Wachen haben. Doch irgendjemand tat genau dies. Ungewöhnlich, nicht wahr? Es verwirrt mich" (Eigene sinngemäße Übersetzung; Originaltext 1) siehe unten.)
Das ist allerdings in der Tat ein ungewöhnliches Detail.

Ein Ähnliches geschieht mit Leah, die irgendwann ihren Auftrag von ihren persönlichen Interessen nicht mehr so recht trennen kann. Ich kann nun nicht das ganze Buch hier behandeln, nur eine Stelle will ich noch erwähnen. Seit meiner Jugend gibt es ein Sonntagsevangelium, das mich - drastisch ausgedrückt - nervt. Ostermontag. Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Das kostet jedes Jahr Überwindung im Gottesdienst. Hier, in diesem Buch, kommt diese Begebenheit auch vor. Erzählt von einem der Jünger, der das Leah berichtet. Oh je dachte ich. Aber nichts dergleichen. Plötzlich wurde die von mir so ungeliebte Stelle zu einer äußerst spannenden und lebendigen Geschichte. Vielleicht bedarf es bisweilen doch einer moderneren, zeitgemäßen Sprache, um alte Begebenheiten nahe zu bringen.
Zu Alban und Leah will ich noch anmerken, [daß diese Geschichte nicht ganz auserzählt wurde. Leah wehrt sich zu Beginn mit Händen und Füßen gegen die erzwungene Vermählung. Ihre innere Wandlung über Akzeptanz hin bis zur Liebe kam etwas zu kurz bzw. wurde überhaupt nicht deutlich, sondern war plötzlich vollzogen. Auch bei Alban liest man in dieser Richtung nicht viel, doch finde ich ihn in der Hinsicht glaubwürdiger beschrieben.]

Über große Teile des Romans fand ich die Distanz zu den Ereignissen reht gut gewahrt und hatte das Gefühl, eine wirkliche Suche nach den Fakten mitzuerleben. Je mehr jedoch die beiden Protagonisten selbst hineingezogen wurden, um so mehr ging diese Distanz verloren, so daß es am Ende etwas in die evangelikale Richtung ging. Das hat mich nicht gestört, hat auch zu den Figuren gepaßt, man sollte es nur wissen und im Hinterkopf haben.

Alles in allem habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Über viel zu wenige Lesestunden hinweg habe ich Alban und Leah auf ihrer Suche nach der Wahrheit hinter den Gerüchten begleitet, dabei die aus dem NT bekannten Geschehnisse aus einer anderen Perspektive betrachtet und so manchen Denkanstoß erhalten. Eine ohnehin Gläubiger braucht ein solches Buch nicht (bzw. wird sich in seiner Überzeugung bestätigen lassen), ein aus Prinzip oder Überzeugung Ungläubiger wird damit sowieso nichts anfangen können. Für alle anderen bzw. die, welche sich unsicher sind, mag das Buch Anregung zum Nachdenken, auch mal abseits der ausgetretenen Pfade, sein. Die Quintessenz steht für meine Begriffe auf Seite 349, als die lautet: "Sie haben alle Angst, Leah. Der Hohe Priester, der Sanhedrin, Herodes und Pilatus - alle haben sie Angst vor Jesus. Auch wenn sie es nicht mal heimlich zugeben, daß er lebt, so fürchten sie das, was er repräsentiert. Was seine Jünger von ihm glauben und vor allem haben sie Angst, ihre Macht zu verlieren." (Eigene sinngemäße Übersetzung; Originaltext 2) siehe unten.)

Indem wir den Protagonisten auf ihrer Suche folgen, nicht mehr erfahren, als sie selbst durch ihre Recherchen herausbekommen, und das zentrale Ereignis, die Auferstehung, auch hier ein Mysterium, das nicht erklärt werden kann, bleibt, müssen wir uns dieselben Fragen stellen, wie Leah und Alban, und das noch ohne die zeitliche Nähe zu den Geschehnissen.

Irgendetwas muß damals passiert sein. Etwas Nicht-faßliches, etwas Nie-dagewesenes, etwas, was sich dem „normalen“ rationalen Leben und Denken entzieht. Sonst wäre die Bewegung, die ins Christentum mündete, bald nach dem Tod ihres „Gründers“ im Sande verlaufen. Ist sie aber nicht. So bleibt, auch am Ende dieses Buches, es jedem selbst überlassen, die Konsequenzen für sich zu ziehen. Was heißt es, was bedeutet es (für mich), wenn das, was überliefert ist, den Tatsachen entspricht. Oder, wie Alban es auf Seite 278 direkt ausspricht:
"Doch ich frage mich zusehends, was wäre, wenn dies, und sei es nur möglicherweise, geschehen wäre. Wie würde man einen solchen Mann bezeichnen? Als einen Propheten? Oder als etwas Größeres?" (Eigene sinngemäße Übersetzung; Originaltext 3) siehe unten.) ****


Mein Fazit

Was geschah wirklich nach der Kreuzigung Jesu. War er tot, ist er es, wo ist seine Leiche? Wir begleiten den Centurion Alban und die Dienerin Leah bei ihrer Suche nach der Wahrheit, beim Zusammentragen der Indizien für oder gegen die umlaufenden Gerüchte. Über weite Strecken eine Mischung aus historischer Detektivgeschichte mit Abenteuerelementen (Aktion der Römer gegen Straßenräuber, Attentatsversuch auf Alban), geht es dem Leser am Ende wie den Protagonisten: man muß abwägen, ob die Berichte, die Menschen glaubwürdig sind oder nicht. Und wie sie eine Entscheidung treffen.


 

Bibliographische Angaben

384 Seiten, gebunden, Verlag Gerth Medien GmbH / 2010

Das Buch gehört zur Acts of Faith Trilogie:
- Die Frau des Zenturio
- Bunn, Davis / Oke, Janette: Die Flamme der Hoffnung
- Bunn, Davis / Oke, Janette: Der Weg nach Damaskus


Originaltexte:
1) "My question ist this: Who, stealing a dead body, with Roman guards nearby, would stop to fold a cloth and leave it behind? Thieves are always in a hurry, even when not being pressed for time by guards of Rome. Yet someone did this. ... Unusual, don’t you think? It puzzles me."
2) “They all are afraid, Leah. The high priest, the Sanhedrin, Hero, along with Pilate - all are afraid of Jesus. Even if they will not admit even silently that he is alive, they are afraid of what he represents. Of what his followers believe about him And most of all they are afraid of losing power.“
3) “But I am increasingly drawn to wonder if this might - just might - have happened. What would you call such a man? A prophet? Or something more?“

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